Platter Reifen

Platter Reifen

Als ich die Tage überlegte, wie oft der Mann Reifen flicken muss und dass ich auf 17.000 Kilometern mit Lastenrad nur vier oder fünf Mal einen Platten hatte, war ich schon erstaunt. Auch wenn die Reifen für Load und Packster wirklich robust sind, ist es doch ziemlich wenig. Das hat sich letzte Woche geändert.

Mit der Tochter war ich in Darmstadt, wir hatten dort einen Termin. Einen halben Kilometer vor unserem Ziel ließ sich das Rad nur schwer lenken, der Vorderreifen war platt. Unter Zeitdruck pumpte ich ihn schnell wieder auf in der Hoffung, dass wir so die restliche Strecke noch schaffen. Die letzten 20 Meter habe ich geschoben, aber wir kamen noch pünktlich an.

Feuchter Straßendreck, mjam.

Während die Tochter ihren Termin wahrnehmen konnte, wollte ich den Schlauch flicken. Ich baute das Rad aus, dank der Steckachse ging es schnell, nur der Mantel blieb wie angeklebt an der Felge. In 20 Minuten habe ich ihn keinen Millimeter bewegen können. Glücklicherweise hielt das Wetter, eigentlich war Regen vorhergesagt. Nachdem ich meine Finger fast abgebrochen hatte rief ich den Mann an, ob er einen Trick kennt. In einer Zeit ohne Corona wären die Tochter und ich mit dem Bus nach Hause gefahren und der Mann oder ich wären zum Flicken zum Rad zurück. Da aber die Tochter erst vier Jahre alt ist und sich nicht vernünftig mit einer Maske schützen kann, fiel die Option flach.

Er setzte sich auf sein eigenes Rad und fuhr los, um uns zu helfen. Da alle seiner Räder mindestens einen platten Reifen hatten (Murphy’s Law), musste er schon zu Hause flicken und die Tochter und ich mussten lange warten. Zum Glück ist der Mann schnell und die Mathildenhöhe lag direkt um die Ecke, dort haben wir den Hochzeitsturm von außen besichtigt und sind eine Weile herumspaziert. Dann kam auch endlich der Mann.

Nicht zu warm, nicht zu kalt, und eine neongelbe Spinne haben wir auch gesehen.

Er erinnerte mich daran, dass er selbst mit dem Reifen schon in die Fahrradwerkstatt gefahren ist, weil er ihn nicht abbekam. Den davor hatte er sogar aufgeschnitten, weil er dachte, er sei an der Felge festgeklebt.

Mit vereinten Kräften gelang es uns, den Mantel zu lösen und den Schlauch zu flicken. Der Mann fuhr schnell nach Hause, wo der Sohn schon vor der Tür wartete. Mit kleinen Kindern bedeutet eine Reifenpanne eindeutig mehr Organisation: sind sie dabei, werden sie schnell ungeduldig und nehmen Aufmerksamkeit in Anspruch, sind sie nicht dabei, muss die Betreuung organisiert werden. Der Sohn wurde auf dem Heimweg von der Schule von einer anderen Mutter abgefangen, die ihm von mir ausrichten sollte, dass der Mann und ich noch eine Weile unterwegs sind. Es lief alles reibungslos, und er musste auch nicht lange warten.

Am nächsten Tag war ich alleine unterwegs und fuhr eine längere Strecke. Als ich nur noch sieben Kilometer Heimweg vor mir hatte war der Reifen wieder platt. Ich wusste ja mittlerweile, dass ich ihn alleine nicht geflickt bekomme wegen des Mantels, also pumpte ich und hoffte einfach, dass ich so bis nach Hause käme. Nachdem ich mehrfach zum Pumpen gehalten habe, ging die Luft schneller raus aus dem Reifen als rein. Zu diesem Zeitpunkt lagen nur noch vier Kilometer vor mir.

Das kleine blaue Sitzkissen ist leicht, isoliert und nimmt wenig Platz weg. Ich möchte es nicht mehr missen!

Einen letzten Versuch wollte ich noch unternehmen, also versuchte ich doch mein Glück mit dem Mantel. Keine Chance. Ich parkte das Packster am Straßenrand im Feld zwischen Gräfenhausen und Schneppenhausen, hängte das ausgebaute Vorderrad an meinen Rucksack und lief los. Kurz vor Braunshardt traf ich auf Nachbarn, die mit dem Hund unterwegs waren und hatte noch nette Wegunterhaltung.

Mit den Riemen des Helms festgeschnallt.

Daheim beschlossen wir, dass ein schöner Tag für eine Fahrt zum Felsenmeer sei. Auf dem Rückweg wollten wir das Rad abholen. Wir zogen wieder mit vereinten Kräften den Mantel von der Felge und entdeckten, dass das Ventil ausgerissen war. Mangels eines neuen Schlauchs baute der Mann einen Schlauch vom Liegerad ein, das ein Vorderrad in derselben Größe hat, nur eben schmaler. Das Rad legten wir ins Auto und fuhren erst ins Felsenmeer, um auf dem Rückweg am Lastenrad zu halten. Der Mann wollte das Rad einbauen und nach Hause fahren, ich würde die Kinder derweil heim bringen. Nur: der Reifen war platt. Im Kofferraum geplatzt. Glücklicherweise fand der Mann in unserer Notfalltasche am Packster noch einen alten Ersatzschlauch den er aufziehen konnte.

Da kann ich pumpen wie ich will – die Luft bleibt nicht drin.

Am nächsten Tag wollte ich den Fahrradunterstand aufräumen und dafür das Packster zur Seite schieben – das Vorderrad war platt. Der Ersatzschlauch hatte schon zwei Flicken, einer davon war am Rand undicht. Also wurde der Flicken geflickt, unsere mittlerweile schon schmerzenden Finger hatten kaum genug Kraft, um den Mantel abzuziehen. Das Rad wurde eingebaut und aufgepumpt, eine Stunde später war es wieder platt.

Langer Rede kurzer Sinn, drei Tage später haben wir den inzwischen vierten Schlauch eingebaut und insgesamt achtmal geflickt. Beim letzten Mal Flicken haben wir eine Schraubzwinge benutzt, um den Mantel zusammendrücken und von der Felge hebeln zu können, wobei das wahrscheinlich dem Schlauch nicht so gut tut. Neue Mäntel und Schläuche für diverse unserer Räder sind bestellt, aber es fahren momentan so viele Leute Fahrrad, dass es dauern kann, bis wir sie bekommen.

Warum all diese Platten in diese eine Woche fielen weiß ich nicht. Weder am Mantel noch an der Felge war ein Grund zu finden. Jeder Schlauch hatte ein anderes Problem: Ventil kaputt, geplatzt, beim Einsetzen mit dem Mantel eingeklemmt, undichte alte Flicken… Fast habe ich Angst davor, wieder loszufahren. Hoffentlich ist unsere Pechsträhne jetzt vorbei!

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