Das Fahrrad und die Eitelkeit

Das Fahrrad und die Eitelkeit

An Weihnachten und bei den damit verbundenen Besuchen bei meinen Eltern und Schwiegereltern ist es einmal mehr deutlich geworden: Fahrrad fahren und sich herausputzen geht nicht Hand in Hand. In einem der nächsten Artikel schreibe ich über einen Hochzeitsbesuch, auf der wir eben dieses Problem und auch eine Lösung dafür hatten.

Aber auch wenn es zwanglos ist, wie eben an Weihnachten, oder wenn wir Freunde treffen: Meine Haare sind entweder im Zopf oder Pferdeschwanz zusammengebunden oder ich muss sie am Ziel bürsten und/oder hochstecken. Im Winter verbieten sich wegen der Temperatur Strumpfhosen und damit auch Kleider, außer ich zwänge sie unter eine Überhose, im Sommer dürfen Röcke nicht zu kurz sein, manche Hosen drücken am Bauch beim Radeln oder bekommen schneller Knie oder Dreckspritzer. Also: meine Kleidung ist eher zweckbetont als schick.

Zum Glück gibt es ja Outdoor- und Regenjacken, die sich sehen lassen können. Dicke Reflektorstreifen und Warnwesten sind allerdings in den wenigsten Fällen kleidsam, genau wie Radkleidung.

Bei den Reflektorstreifen sehe ich ganz klar den Vorteil: ich werde leichter gesehen. Deswegen her damit. Am Helm, an der Jacke, am Rad, an den Fesseln und von meinen Rainlegs habe ich ja bereits berichtet. Lichter überall. Als ich noch Kind war, gab es im Ort eine Familie, die man im Dunkeln schon von weitem sehen konnte. Liefen irgendwo reflektierende Punkte, war sofort klar: das sind die Müllermeierschulzes. Damals habe ich es nicht verstanden und fand es lustig, heute macht es mich nervös, wenn ich als Fußgänger abends ohne Reflektoren unterwegs bin.

Was die Radbekleidung angeht, brauche ich sie im Alltag selten. Bei längeren Strecken ist ein Polster am Po ganz schön, aber wenn ich in die Stadt fahre oder mit den Kindern einen Ausflug in den Wald mache, ist es unnötig. Ich denke auch nicht, dass ich bei meinen Geschwindigkeiten groß von der Windschnittigkeit enger Radkleidung profitieren werde und ich brauche auf dem Lastenrad keine schnelltrocknende Synthetikfaser.  Außerdem habe ich nicht wirklich die Figur für Radlerhosen, ich sehe darin aus wie ein Lolli für zwei, oben rund und unten zwei Stiele. Kennt ihr die beleibten Männer, die im Sommer in hautenger Kleidung am Rand der Landstraßen strampeln, kleine Kugeln auf flotten Rädern? Genau so, nur weiblich und nicht ganz so flott.

Es gibt noch dazu ein Problem, das allerdings nicht nur Radbekleidung, sondern Sportbekleidung generell betrifft: dicke Menschen (besonders Frauen, in den Männerabteilung sieht es glaube ich etwas anders aus) können sich kaum passend anziehen. Ich trage Größe 46. Als wir 2013 in Schweden waren, habe ich mir vorher extra ein Trikot gekauft, aus schnell trocknendem Funktionsstoff. In der Umkleidekabine stehend anprobiert sah es in Ordnung aus, nicht mein bestes Teil, aber tragbar. Sobald ich saß, war es anders. Wir nannten es liebevoll die „Wurstigkeit“. Ich muss nicht erwähnen, dass es eigentlich ungenutzt im Schrank liegt. Ein Jahr später habe ich doch noch ein Trikot gefunden, eigentlich für Männer, aber ich kann es tragen, ohne wie ein radfahrendes Michelinmännchen auszusehen.

Warum ich überhaupt ein Fahrradtrikot auf dem Rad brauche? Im Alltag, wenn ich das Fahrrad als Transportmittel benutze, kann ich meine normalen T-Shirts anziehen. Will ich am Ziel angekommen nicht verschwitzt sein, nehme ich im Zweifelsfall Wechselkleidung mit. Auf dem Rennrad aber bringt ein Trikot eine sehr großen Vorteil: Es hat Taschen, im Gegensatz zu den Radhosen. Schlüssel, Tempo, Handy, Notgroschen – das kann ich körpernah tragen und muss mir keinen Beutel auf den Rücken legen.

Wie schon erwähnt passen unter einen Fahrradhelm nur wenige Frisuren. Offene Haare werden vom Wind zerzaust, hochgesteckte Haare haben keinen Platz und manchmal ist alles einfach nur plattgedrückt. Das einfachste und praktischste sind ein Pferdeschwanz oder ein Zopf, gerne auch französisch. Oder aber ich muss mir einen dieser Frisurenschutzhelme besorgen, wie JD ihn in Scrubs benutzt (Siehst du hier: hairmet). Nur steigt dann der Windwiderstand.

Für alle, die mit aufwändigen Frisuren am Zielort ankommen wollen, ist der Bus wohl besser geeignet als das Fahrrad. Oder sie nehmen eine Bürste mit und verschieben ihr Styling etwas.

Eine kleine Anekdote zum Schluss: ich hatte im letzten Sommer ein Kleid, das ich gerne anzog. Es war nicht übermäßig kurz, hörte etwas über den Knien auf. Natürlich trug ich es auch beim Radfahren. Ich finde es kompliziert, mit Kleidern oder Röcken zu fahren, weil sie beim Aufsitzen immer verrutschen und dann merkwürdig am Oberkörper ziehen bei jeder Bewegung. Trotzdem, in diesem Kleid fühlte ich mich wohl. Bis eines Abends der Mann neben mir fuhr und mich freundlich, aber amüsiert darauf hinwies, dass mehr oder weniger mein halber Hintern zu sehen war beim Radeln. Tja.

 

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